Wann kommen DIN- und EN-Norm für Cargobikes?

Der DIN-Arbeitskreis „Transport- und Lastenfahrräder“ wird bald einen Norm-Entwurf veröffentlichen. Bis 5. Oktober entscheidet sich, ob auch die Arbeit an einer europäischen EN-Norm beginnt.

[Update: Die Abstimmung innerhalb des European Committee for Standardisation im Oktober 2017 ergab Zustimmung zur Erarbeitung eines europäischen Industriestandards (EN-Norm) für Cargobikes. Bisher (Stand Juli 2018) ruht jedoch der Prozess, weil noch keine nationale Normungsorganisation das Sekretariat für die Normungsarbeit stellen will.]

Die Zeitschrift Bike Europe berichtete am 14. September 2017 auf ihrer Webpage:

The European Standardization Committee for bicycles CEN/TC 333 ‘Cycles’ considers it high time that a standard describing the safety requirements and test methods for cargo bikes be developed. Stakeholders are requested to join the development process. The vote on the start of the normalization process is October 5.

Die Abstimmung findet unter den 36 nationalen Mitgliedsorganisationen des European Committee for Standardisation statt. Deutsches Mitglied ist das DIN-Institut. Bei einem positiven Abstimmungsergebnis kann die Arbeit an einer europäischen Norm für Cargobikes beginnen wenn mindestens fünf Mitgliedsorganisationen Interesse an einer aktiven Mitarbeit bekunden.

Der Bike Europe-Beitrag nennt zwei Gründe für eine EN-Norm. Erstens, die zunehmende Verbreitung von Cargobikes. Zweitens, das Fehlen einer passenden Industrienom für Cargobikes, an dem sich Hersteller orientieren können, um die europäischen und die daraus abgeleiteten nationalen gesetzlichen Anforderungen an die Produktsicherheit (siehe Produktsicherheitsgesetz in Deutschland) zu erfüllen. Jedoch haben Industrienormen selbst keine Gesetzeskraft. Das DIN-Institut schreibt auf seiner Webpage zur Frage „Sind Normen Pflicht?“:

Die Anwendung von DIN-Normen [durch einen Hersteller] ist grundsätzlich freiwillig. Erst wenn Normen zum Inhalt von Verträgen werden oder wenn der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt, werden Normen bindend. Zwar stellen sie im Fall einer möglichen Haftung keinen Freibrief dar. Aber wer DIN-Normen – als anerkannte Regeln der Technik – anwendet, kann ein korrektes Verhalten einfacher nachweisen.

Der DIN-Arbeitskreis „Transport- und Lastenfahrräder“ hat sich bereits im September 2013 in Schweinfurt konstituiert. Auf der Internet-Seite des DIN-Arbeitskreis heißt es knapp:

Der Arbeitskreis NA 112-06-01-01 AK des DIN-Normenausschusses Sport- und Freizeitgerät (NASsport) hat die Aufgabe, Normungsarbeiten ausschließlich für Transport- und Lastenfahrräder durchzuführen. Schwerpunkte sind die Klassifizierung sowie die Festlegung von technischen Anforderungen und ihre Prüfung.

Unter Projekte wird der Geltungsbereich der geplanten DIN-Norm 79010 skizziert:

Diese Norm legt Anforderungen und Prüfverfahren für ein- und mehrspurige Transport- und Lastenfahrräder auch mit elektromotorischer Unterstützung zum Transport von Gütern und Personen fest. Sie gilt nicht für Fahrräder nach DIN EN ISO 4210, DIN EN ISO 8098 (Kinderfahrräder), DIN EN 16054 (BMX-Fahrräder) und DIN EN 15194 (EPAC-Fahrräder).

Die dauerhafte Mitarbeit an der Normungsarbeit ist (nicht nur in Deutschland) kostenpflichtig. Neben Herstellern von Cargobikes (die Firma Speedliner Mobility erwähnt ihre Teilnahme auf der eigenen Homepage) und Komponenten-Herstellern wirken weitere sogenannte „interessierte Kreise“ mit. Darunter Vertreter aus der Wissenschaft, von Prüfinstituten, Verbraucherorganisationen und des Arbeitsschutz. Leiter des DIN-Arbeitskreis ist Ernst Brust vom Prüfinstitut velotech.de. Eine Liste der Mitglieder ist nicht öffentlich zugänglich, eine Mitarbeit durch weitere Unternehmen und Verbände aber möglich (Kontaktmöglichkeit auf der Seite des DIN-Arbeitskreis). Die nächste Sitzung soll lam 28. November in Bremen stattfinden.

Der Entwurf der geplanten DIN-Norm 79010 wird nach Verabschiedung im Arbeitskreis auf der Seite des DIN-Instituts veröffentlicht. Das Institut rechnet damit im ersten Halbjahr 2018. Ab Veröffentlichung kann der Entwurf zwei Monate lang kommentiert werden. Der Arbeitskreis berät anschließend über Änderungen. Die fertige Norm kann schließlich beim Beuth-Verlag gekauft werden.

Auch in Frankreich wird bereits an einer nationalen Norm für Cargobikes gearbeitet. Das Dutch Standardization Institute (NEN) hat am 8. September niederländische Cargobike-Hersteller aufgerufen, sich in die Abstimmung innerhalb des European Standardization Committee einzubringen. In dem Bike Europe-Beitrag heißt es:

The Dutch Standardization Institute (NEN) further stipulates that work for a European cargo bike standard, already started in Germany and France. Here national documents are being prepared that can serve as a basis for a European standard. This work is now also being started in The Netherlands for which stakeholders are requested to take part in.

Stakeholders like cargo bike manufacturers distributors and certification bodies that wish to influence the European normalization process, need to come forward at their national Standardization Institute as the European vote on the standardization proposal for cargo bikes will run on 5 October.

Wie es nach diesem Votum weitergeht schildert Merel Wagner, die zuständige NEN-Mitarbeiterin gegenüber cargobike.jetzt:

On the 10th of November the next Plenary Session of CEN TC 333 Cycles will take place in Brussels. The work item on cargo bikes will also be discussed.

Based on the voting outcome and the proposed timeline for the development of this work item, national mirror committees shall discuss with their experts how they would like to shape the European standardization process.

Eine europäische Norm kann der weiteren Verbreitung von Cargobikes sehr dienlich sein: Indem sie europaweit Herstellern eine Orientierung im Dschungel der gesetzlichen Sicherheitsanforderungen liefert. Und, indem sie das Vertrauen in das Produkt Cargobike und dessen Attraktivität weiter steigert – zum Beispiel gegenüber Eltern beim Kindertransport oder Entscheidungsträgern in Unternehmen.

Immer wieder hört man aber auch die Befürchtung, dass Normungen den vielen kleinen Cargobike-Herstellern auch unnötige bürokratische, prüftechnische und konstruktive Bürden auferlegen könnten. Das beste Mittel um das zu verhindern ist die kompetente Einflussnahme innerhalb der nationalen Normungsorganisationen. Und wo es dazu nicht reicht, das Kommentieren der veröffentlichten Normentwürfe. Im Fall der entstehenden DIN-Norm wohl in der ersten Jahreshälfte 2018.


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag wurde am 3. Oktober 2017 um das Zitat von NEN-Mitarbeiterin Merel Wagner ergänzt. Zudem wurde ein Fehler im ursprünglich veröffentlichten Beitrag korrigiert: In den Niederlanden gibt es anders als in Frankreich und Deutschland keinen nationalen Normungsprozess für Cargobikes.

 


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