ZIV: Nicht nur Kinder dürfen auf Fahrrädern mitfahren

Foto: Pedal Me aus London

Cargobikes können tolle Taxis sein – nicht nur für Kinder. Der Zweirad-Industrie-Verband fordert eine Änderung der StVO, um Rechtssicherheit zu schaffen.

[Update: Seit der StVO-Reform von 2020 ist die Personenbeförderung auf Fahrrädern unmissverständlich ohne Alterseinschränkung erlaubt – solange geeignete Sitze vorhanden sind. Siehe Artikel zur StVO-Reform und Infoseite Personenbeförderung]

Seit Jahren engagiert sich der Berliner Manfred Wos dafür, dass er ganz offiziell mit seinem im Rollstuhl sitzenden erwachsenen Sohn auf dem Rollfiets durch die Welt fahren darf. Das Projekt Radeln ohne Alter bietet Seniorenausfahrten auf Cargobike-Rikschas inzwischen in mehreren deutschen Städten. Und in vielen Großstädten sind Touristen bereits seit langem mit Fahrradrikschas unterwegs. Velotaxi-Unternehmen brauchen dafür meist eine kommunale Ausnahmegenehmigung. Denn die Bundesregierung vertritt bisher die Auffassung, dass nur Kinder auf Fahrrädern mitgenommen werden dürfen. In der Straßenverkehrsordnung (StVO) heißt es in Paragraph 23, Absatz 3:

Auf Fahrrädern dürfen nur Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden, wenn für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können. Hinter Fahrrädern dürfen in Anhängern, die zur Beförderung von Kindern eingerichtet sind, bis zu zwei Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden. Die Begrenzung auf das vollendete siebte Lebensjahr gilt nicht für die Beförderung eines behinderten Kindes.

Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) widerspricht nun der restriktiven Auslegung dieses Paragraphen durch die Bundesregierung. In einer Pressemitteilung (siehe unten) erklärt der ZIV, wieso aus der Formulierung kein Verbot der Mitnahme von älteren Personen auf Rikschas oder Cargobikes mit entsprechenden Sitzmöglichkeiten folgt. Der Verband empfiehlt,

die Regelung zur Personenbeförderung auf Fahrrädern im Rahmen der geplanten StVO-Reform dahingehend zu präzisieren, dass aus dem Paragrafen klar hervorgeht, dass entsprechend konstruierte Fahrräder zur Personenbeförderung befähigen. Dadurch kann die Verunsicherung im Markt ein für alle Mal ausgeräumt werden und das Potenzial dieser Fahrradtypen kann sich besser entfalten.

Längst überfällig! Zum Potential von Cargobikes als Taxi-Alternative empfehle ich einen Blick nach London. Dort bietet das Unternehmen Pedal Me per App Taxifahrten auf schnellen und schmalen LongJohn-Cargobikes an. Ich habe im November in Amsterdam eines der Räder von Pedal Me testen können. Als Fahrer und als Passagier. Die Cargobikes werden laut Pedal Me nach den ersten Erfahrungen in London weiterentwickelt – das betrifft auch die Sitze. Mein Fazit: Riesiges Potential! Wer wird der erste Anbieter schneller Cargobike-Taxifahrten in Deutschland?


Dokumentation

Personenbeförderung auf Fahrrädern ist rechtens

Zweirad-Industrie-Verband empfiehlt Überarbeitung der StVO Regelmäßig kommt es zu Verwirrung bezüglich des §21 Abs. 3 StVO, der die Beförderung von Personen auf dem Fahrrad untersagt. Dies führt teilweise zu einer Verunsicherung bei einigen Marktteilnehmern. Deshalb möchte der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) die Regelung zur Personenbeförderung auf Fahrrädern klarstellen. §21 Abs. 3 StVO in seiner aktuellen Fassung suggeriert, dass auf einem Fahrrad keine Personen (ausgenommen Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr) befördert werden dürfen. Dieser Interpretation widersprechen jedoch verschiedene Rechtsexperten, wie z. B. Dr. Dietmar Kettler, sowie ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden aus dem Jahr 2004. Die Begründung dafür, dass die Personenbeförderung auf dem Fahrrad gemäß §21 StVO legal ist, ist in der Entstehungsgeschichte des Paragrafen zu finden. In der Fassung des damaligen §30 Abs. 1 StVO aus dem Jahr 1937 hieß es noch: „Auf einsitzigen Fahrrädern dürfen Radfahrer Personen nicht mitnehmen.“ In den späteren Fassungen der StVO ging der Begriff „einsitzig“ jedoch verloren. Das Beförderungsverbot gemäß §21 Abs. 3 StVO bezieht sich also nur auf einsitzige Fahrräder, d. h. auf Fahrräder, die in ihrer Konstruktion von vornherein keinen weiteren Sitzplatz vorgesehen haben. Ist ein Fahrrad hingegen dementsprechend konstruiert, dass die Mitnahme von Personen möglich – d. h. eine zusätzliche Sitzmöglichkeit vorhanden – ist, dürfen darauf auch Personen transportiert werden. Dies ist beispielsweise bei Rikschas oder bestimmten Lastenradtypen der Fall. Der ZIV empfiehlt deshalb die Regelung zur Personenbeförderung auf Fahrrädern im Rahmen der geplanten StVO-Reform dahingehend zu präzisieren, dass aus dem Paragrafen klar hervorgeht, dass entsprechend konstruierte Fahrräder zur Personenbeförderung befähigen. Dadurch kann die Verunsicherung im Markt ein für alle Mal ausgeräumt werden und das Potenzial dieser Fahrradtypen kann sich besser entfalten. Der Zweirad-Industrie-Verband e.V. ist die nationale Interessenvertretung und Dienstleister der deutschen und internationalen Fahrradindustrie. Dazu gehören Hersteller und Importeure von Fahrrädern, E-Bikes, Fahrradkomponenten und Zubehör.

Teilen?