StVO-Reform bringt Verbesserungen für Cargobikes

Altersfreigabe beim Personentransport, eigenes Symbol für Cargobikes und das Parken am Fahrbahnrand bleibt für alle Fahrräder erlaubt: Der Bundesrat hat Verbesserungen für Cargobikes bei der StVO-Novelle beschlossen.

[Update: Die hier vorgestellte StVO-Novelle wurde am 27. April 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am Folgetag in Kraft]

Die Bundesländer haben am 14. Februar 2020 der Vorlage der Bundesregierung für eine „fahrradfreundliche“ Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Bundesrat zugestimmt. Allerdings haben sie umfangreiche Änderungen der Regierungsvorlage beschlossen. Drei der Bundesratsänderungen sind speziell für Cargobikes relevant und werden unten ausführlich vorgestellt.

Die Bundesregierung hat angekündigt, die StVO-Novelle mit den Änderungen des Bundesrates schnellstmöglich in Kraft treten zu lassen. Aus radverkehrspolitischer Sicht wird die gesamte Novelle teils als „vertane Chance“ kritisiert oder als „kleiner Schritt für die Sicherheit von Radfahrern“ gesehen. Stark im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stand auch die Ablehnung eines Tempolimits von 130 kmh auf Autobahnen durch die Länderkammer.

Doch hier nun die drei für Cargobikes relevanten Punkte der StVO-Novelle, wie sie am Freitag vom Bundesrat beschlossen wurden.

Altersfreigabe beim Personentransport

Bisher heißt es in Paragraph 21, Absatz 3 der StVO:

Auf Fahrrädern dürfen nur Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden, wenn für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können. [….]. Die Begrenzung auf das vollendete siebte Lebensjahr gilt nicht für die Beförderung eines behinderten Kindes

Ob daraus zwangsläufig ein Verbot der Mitnahme von älteren Personen auf Fahrrädern folgt ist seit längerem umstritten. Das Bundesverkehrsministerium hielt aber bisher an einer restriktiven Auslegung fest. Fahrradtaxi-Unternehmen müssen deswegen Ausnahmegenehmigungen beantragen.

Eurobike 2019: Der fahrradpolitische Sprecher der CDU im Bundestag Gero Storjohann auf Cargobike zum Personentransport. Bild: ZIV

Die Vorlage der Bundesregierung für die StVO-Novelle sah keine Änderung beim Personentransport vor. Der Bundesrat hat jedoch einen neuen ersten Satz in Paragraph 21, Absatz 3 beschlossen:

Auf Fahrrädern dürfen Personen von mindestens 16 Jahre alten Personen nur mitgenommen werden, wenn die Fahrräder auch zur Personenbeförderung gebaut und eingerichtet sind.

Zur Begründung heißt es im Bundesratsbeschluss:

Diese Voraussetzungen zur Personenmitnahme können insbesondere Rikschas […] und bestimmte Lastenfahrräder erfüllen, die neben dem Transport von Gütern auch oder ausschließlich für den Transport von Personen gebaut sind und daher über entsprechende eigene Sitzgelegenheiten für jede Person verfügen.

Fahrradverbände und Fahrradtaxi-Unternehmen hatten sich für diese Änderung eingesetzt. Im Januar hatte sich bereits der Bundestag auf Antrag von CDU/CSU und SPD der Forderung nach einer Altersfreigabe beim Personentransport angeschlossen.

Parkverbot am Fahrbahnrand gekippt

Im ursprünglichen Entwurf der StVO-Novelle wollte die Bundesregierung ein Parkverbot für alle Fahrräder am Fahrbahnrand schaffen:

In Absatz 4 wird nach Satz 2 folgender Satz eingefügt: „Fahrräder sind außerhalb von Seitenstreifen und Fahrbahnen abzustellen.“

Begründet wurde diese Einschränkung für den Radverkehr mit „Parkraumknappheit“ – für Autos! Ein besonderes Kuriosum für eine „fahrradfreundliche“ StVO-Reform. Verbände wie der Radlogistik-Verband Deutschland (RLVD) und der FUSS e.V. haben auf die negativen Auswirkungen speziell für und durch große Cargobikes hingewiesen, wenn diese nur noch auf dem Gehweg parken dürfen. Sie forderten – genauso wie der ADFC – die ersatzlose Streichung des Fahrrad-Parkverbots am Fahrbahnrand.

Wollte das Bundesverkehrsministerium ursprünglich für alle Fahrräder verbieten: Parken mit Fahrbahnrand.

Auf der 1. Nationalen Radlogistik-Konferenz kündigte Staatssekretär Steffen Bilger aus dem Bundesverkehrsministerium am 25. Oktober 2019 eine Entschärfung an:

Wir haben den Entwurf zur StVO-Novelle um die Ausnahme ergänzt: Lastenräder und Fahrräder mit Anhänger werden weiterhin am Fahrbahnrand abgestellt werden können. [Siehe Tweet des Bundesverkehrsministeriums]

Der aktualisierte Entwurf der Bundesregierung lautete:

In Absatz 4 wird nach Satz 2 folgender Satz eingefügt: „Fahrräder sind außerhalb von Seitenstreifen und Fahrbahnen abzustellen; dies gilt nicht für Lastenfahrräder oder Fahrräder mit Anhänger.“

Der Bundesrat hat diese Ergänzung nun komplett gekippt. Zu Begründung heißt es im Bundesratsbeschluss:

Der neu eingefügte Satz bedeutet die Neueinführung eines Fahrradparkverbotes auf Fahrbahnen zur Förderung des Kfz-Parkens am Straßenrand. Diese Regelung ist nicht mit dem Ziel einer StVO-Novelle zur Förderung des Radverkehrs vereinbar. […] Wenn Fahrräder grundsätzlich nur noch auf Gehwegen abgestellt werden dürften, würde dies die Platzprobleme auf Gehwegen zusätzlich verstärken.

Neues Straßenschild Cargobikes nicht nur für Lieferverkehr

Bundesverkehrsminister Scheuer hat im April 2019 auf dem Nationalen Radverkehrskongress in Dresden verkündet, 20 Prozent urbanen Lieferverkehr auf Cargobikes verlagern zu wollen. Das ist Hintergrund für diese Neuerung im Regierungsentwurf der StVO-Novelle:

In der Begründung der Bundesregierung heißt es, das Sinnbild könne

künftig Gegenstand von Zusatzzeichen werden […], z. B. zur Anordnung spezieller Ladezonen oder von Parkflächen für Lastenfahrräder. Damit wird der starken Zunahme von Lastenfahrrädern vor allem im städtischen Raum innerhalb der letzten Jahre Rechnung getragen.

Die einseitige Fixierung auf den „Transport von beweglichen Gütern“ hat der Bundesrat in seinem Beschluss korrigiert. Er beschloss, dass die Bildunterschrift des  Sinnbildes zu ändern ist in:

Fahrrad zum Transport von Gütern oder Personen – Lastenfahrrad

Die Begründung des Bundesrat lautet:

Die Förderung und Sicherheit des Radverkehrs betrifft auch den Güter- und Personentransport im privaten und gewerblichen Bereich. Die Bildunterschrift beim Lastenfahrrad greift insoweit zu kurz und wird entsprechend um die Personenmitnahme ergänzt.
Vorausgesetzt wird eine entsprechende Beschaffenheit des Lastenfahrrads, also beim Transport von Gütern das Vorhandensein geeigneter Ladeflächen beziehungsweise bei der Beförderung von Personen geeignete Sitzgelegenheiten für die jeweiligen Personen. Inwieweit ein Lastenfahrrad zum Transport von Gütern beziehungsweise Personen bestimmt ist, hat sich insbesondere aus der Systembeschreibung des Herstellers zu ergeben.
Der in der Bildunterschrift vorgesehene Begriff „beweglich“ vor Güter kann ersatzlos entfallen, weil er überflüssig ist.

Das neue StVO-Sinnbild für Cargobikes fand bereits vorab Eingang in den Berliner Regelplan für Cargobike-Stellflächen, der im Dezember 2019 erlassen wurde. Zu sehen sind die ersten Schilder und Bodenmarkierungen mit dem Cargobike-Sinnbild im Berliner Bezirk Neukölln, der inzwischen fünf Cargobike-Stellflächen am Fahrbahnrand eingerichtet hat.

Bereits mit offiziellem StVO-Symbol: Cargobike-Stellplätze in Berlin-Neukölln.

Teilen?