Cargobikes dominieren Bundeswettbewerb Nachhaltige Urbane Logistik

In Berlin zeichnete Bundesumweltministerin Svenja Schulze Projekte der nachhaltigen urbanen Logistik aus. Cargobikes waren ganz vorne mit dabei.

Der erstmalig von Bundesumweltministerium und Bundesumweltamt ausgetragene Bundeswettbewerb Nachhaltige Urbane Logistik soll „innovative städtische Logistikkonzepte aus dem ganzen Bundesgebiet“ auszeichnen und sichtbar machen. Auf www.nachhaltige-urbane-logistik.de sind 76 Projekte vorgestellt, die sich beworben haben. Bei 44 davon spielen Cargobikes eine Rolle. Darunter sind viele bekannte und weniger bekannte Radlogistik-Pioniere: Von tricargo aus Hamburg über veloCARRIER aus Tübingen bis zur Kurbelkiste in Bad Sassendorf.

Acht von 76 eingereichten Projekten. Per klick aufs Bild geht es zur Übersicht aller Projekte. Bild: Screenshot von Projektseite www.nachhaltige-urbane-logistik.de des BMU.

Auch Hersteller von Cargobikes und Lastenanhängern für die urbane Logistik wie Rytle, die Adomeit Group, Carla Cargo und Nüwiel hatten sich beworben. Einige Cargobike Sharing-Systeme aus der Bewegung der Freien Lastenräder fallen bei der vorgegebenen Definition von urbaner Logistik („Konzepte und Systeme, über die die innerstädtische Waren-, Paket- und Briefzustellung koordiniert werden“) zwar etwas aus der Reihe. Aber sie sind in der Liste der Einreichungen auch ein charmanter Gegenpol zu großen E-LKWs.

Bei Preisverleihung am 5. Dezember im Bundesumweltministerium wurde das Fachpublikum aus Politik, Verbänden und den Gewinnerprojekten von Ministerin Svenja Schulze begrüßt.

Copyright: BMU/Sascha Hilgers

Eine fünfköpfige Jury aus Logistik-ExpertInnen hatte zuvor fünf Preisträger gekürt und hielt die Laudationes.

Jurymitglieder Prof. Ralf Bogdanski von der TH Nürnberg und Jens Hilgenberg vom BUND. Fotos: cargobike.jetzt

Die fünf Gewinnerprojekte teilen sich ein Preisgeld von insgesamt 70.000 Euro. In dreien der Gewinnerprojekte spielt der Einsatz von Cargobikes eine zentrale Rolle:

Beim Forschungsprojekt Intelligente City-Logistik Altstadt der Stadt Heidelberg geht es um

die Nutzung von Mikrodepots in Verbindung mit E-Lastenrädern als Lösung auf der „allerletzten Meile“ in der Heidelberger Altstadt […]. Das umfassende Vorhaben dient der Entwicklung und Untersuchung einer White-Label-Lösung auf der letzten Meile, d.h. Sendungen sollen durch einen neutralen Anbieter gesammelt und gebündelt zugestellt werden.

Stadt Heidelberg bei der Preisübergabe mit Ministerin Svenja Schulze. Foto: cargobike.jetzt

Das europaweit aufgestellte Logistikunternehmen Dachser aus dem Allgäu konnte punkten mit dem Projekt Emissionsfreies Liefergebiet für Stückgutsendungen in Stuttgart, bei dem der Radlogistiker veloCARRIER für den Cargobike-Einsatz zuständig ist.

Das Projekt erprobt in der Stadt Stuttgart die Auslieferung von Stückgutsendungen mit E-Lkw (bis 18 t) als integrierte Lösung in Kombination mit elektrisch unterstützten Lastenrädern und Mikro-Hubs. Dachser schafft damit das erste emissionsfreie Liefergebiet für palettierte Stückgutsendungen, das vollelektrische LKW, Pedelecs und Mikrohubs in ein Logistiknetzwerk integriert.

In Stuttgart unterwegs für Dachser: Das neue „POWER-CARGO-BIKE“ von veloCARRIER/UM-Products. Foto: cargobike.jetzt

Das dritte Gewinnerprojekt mit Cargobikes wird von der Technischen Hochschule Nürnberg in Kooperation mit DPD und GLS durchgeführt. Das Projekt Nachhaltige Stadtlogistik mit Mikrodepot

untersuchte und realisierte die Einrichtung von Mikrodepots in Bestandimmobilien und anschließende Verteilung der Waren mit Lastenrädern. Neben der Reduzierung von Emissionen stand dabei die ökonomische Effizienz im Vordergrund, sodass der Einsatz von Lastenfahrrädern eine echte logistische Alternative der Paketzustellung wird.

„Umweltfreundlich unterwegs in Nürnberg“ – Foto: DPD

Die Jury hat sich damit für Projekte von größeren Akteuren entschieden und setzt auf deren besondere Ausstrahlungskraft. Ob das im Verkehrsbereich und speziell in der Logistik aufgeht?

Zuletzt hat der Berliner Volksentscheid Fahrrad eindrücklich gezeigt, wie eine Bewegung von unten zum zentralen Treiber einer neuen Verkehrspolitik werden kann. Bei der urbanen Logistik mit Cargobikes sind vor allem die jungen spezialisierten Radlogistik-Unternehmen die Treiber. Teilweise fahren diese auch Cargobike-Touren für die großen Paketzusteller. Doch da sie meist nicht bereit sind, sich dem weit verbreiteten Lohndumping bei Subunternehmern in der Paketzustellung anzuschließen, stockt die Ausweitung von Cargobike-Einsätzen in der urbanen Logistik. Ein Gegenbeispiel ist das Mikrodepot-Konzept in Hamburg, das von UPS mit eigenen Angestellten und eigenen Cargobikes sehr erfolgreich betrieben wird.

Bei einer Wiederholung des Bundeswettbewerbs könnte die Ergänzung der Jury um eine Person aus dem Gewerkschaftsspektrum sicherlich spannende Diskussionen auslösen.

Und wie es bei Wettbewerben so ist, haben alle auch einen persönlichen Favoriten. Bei mir selber ist es die Spedition für vermiedene Güter:

Das Ideenlabor will zu den Themen „Digitalisierung“ und „Rückbau von Verkehrsinfrastruktur“ forschen, die Ergebnisse verbreiten und darauf aufbauend ein Beratungsnetzwerk für Verkehrsvermeidung etablieren.

Die dazugehörige Webpage www.verkehrsvermeidung.de des European Institute for Sustainable Transport ist noch im Aufbau.

Auf jeden Fall ist es sehr zu wünschen, dass der Bundeswettbewerb 2019 fortgesetzt wird! Dann hoffentlich mit mehr Presse als bei der Premiere. Dass Cargobikes wieder mit auf dem Siegertreppchen stehen werden dürfte sicher sein.

 


Editorische Notiz: cargobike.jetzt ist Gründungsmitglied des im September 2018 gegründeten Radlogistik Verband Deutschland (RLVD). Dieser „vertritt die Interessen insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ganz maßgeblich die Radlogistik in Deutschland voranbringen.“


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