Der Dieselskandal macht’s möglich: Gewerbliche Cargobikes bekommen Bundesförderung und die Bundeskanzlerin will die Verkehrswende. Jetzt schauen alle gespannt nach Leipzig.
Auf dem dritten Dieselgipfel hatte Bundeskanzlerin Merkel am 28. November das Sofortprogramm Saubere Luft der Bundesregierung vorgestellt. Das eine Milliarde Euro-Programm soll Kommunen dabei unterstützen, die gerichtliche Anordnung von Diesel-Fahrverboten zu verhindern. Bestandteil des Programms ist auch eine Bundesförderung von Cargobikes. Hier die knappe Ankündigung auf der Webpage der Bundesregierung:
Die geplante Förderung von gewerblich genutzten Lastenrädern erfolgt im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums.
Noch gibt es keinen Termin für den Start des Förderaufrufs.
Anders als bei der Kaufprämie für E-Autos soll also die private Nutzung bei Cargobikes nicht gefördert werden. Das bleibt eine sachlich schwer zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Interessanterweise enthält die Ankündigung aber keine Einschränkung auf Cargobikes mit E-Antrieb.
Wie die Bundesförderung konkret aussehen wird bleibt spannend. Das Land Baden-Württemberg hat kürzlich die Messlatte erfreulich hoch gehängt: Gewerbliche eCargobikes erhalten hier eine Kaufprämie von 50 Prozent. Auch mehrere deutsche Städte und die Regierung in Österreich haben bereits Kaufprämien für Cargobikes eingeführt (siehe Liste).
Die angekündigte Bundesförderung ist ein großer Erfolg für die Cargobike-Branche. Aber auch für die Radverkehrsförderung insgesamt. Im Bundestagswahlkampf hatten die Fahrradverbände und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) eine Kaufprämie für gewerbliche eCargobikes gefordert. Zusammen mit dem Fahrradblog www.iswaf.de hatte cargobike.jetzt Wahlprüfsteine erstellt, in denen die Parteien zur Kaufprämie für eCargobikes Stellung bezogen hatten.
Eine deutlich spürbare Verbesserung der Luftqualität in deutschen Städten ist durch die Bundesförderung für Cargobikes natürlich auf die Schnelle nicht zu erreichen. Und auch nicht durch die anderen – finanziell deutlich üppiger ausgestatteten – Maßnahmen des Sofortprogramms Saubere Luft. Immerhin hat sich Bundeskanzlerin Merkel auf der Pressekonferenz zum Sofortprogramm beiläufig zur Verkehrswende bekannt:
Alle waren der Meinung, dass dieses Sofortprogramm eine Facette ist, dass es aber zur Veränderung der gesamten Stadtmobilität natürlich über Jahre, auch im Rahmen der – so kann man es nennen – Verkehrswende, die wir in Deutschland Schritt für Schritt installieren müssen, weiterer Programme bedarf.
Doch für die Verkehrswende ist die Bundeskanzlerin wahrlich nicht der zentrale Treiber. Zu stark ist der politische Einfluss der Autolobby. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert deswegen das Sofortprogramm scharf:
Diesel-Fahrverbote werden mit den heute vorgestellten Ergebnissen wahrscheinlicher. Die Richter sehen, dass auch eine Bundesregierung es nach drei Diesel-Gipfeln nicht wagt, gegen den Widerstand der Autokonzerne die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, noch in 2018 für ‚Saubere Luft‘ in unseren Städten zu sorgen.
Der große Showdown folgt nun in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht. Am 22. Februar 2018 verhandelt das oberste deutsche Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit von lokalen Diesel-Fahrverboten. Das Urteil wird bundesweite Präzendenzwirkung in über 40 Städten haben, die von der Deutschen Umwelthilfe wegen zu hoher Luftschafstoff-Belastung verklagt werden.
Nachtrag zum Titelfoto: Die Förderung gewerblicher Cargobikes soll zwar über das Bundesumweltministerium laufen. Im Titelfoto dieses Beitrags ist jedoch Staatsministerin Bär (CSU) aus dem konkurrierenden Bundesverkehrsministerium zu sehen. Wieso? Von Umweltministerin Hendricks (SPD) und ihrem zuständigen Staatssekretär Flasbarth sind mir nur Fotos mit einem Cargobike bekannt, das eher für die private als für die gewerbliche Nutzung prädestiniert ist. Aber vielleicht wird die geplante Bundesförderung ja wie in München und Regensburg bald auf private Cargobikes ausgeweitet?