Journalisten lieben Cargobikes. Wegen der schicken Bilder und weil sie einer der spannendsten Trends in der Fahrradbranche sind. Eine kommentierte Presseschau.
Die April-Ausgabe des ÖKO-TEST-Magazins widmete sich auf gleich sechs Seiten dem Thema Cargobikes. „Hab mein Radl vollgeladen“ ist der Beitrag überschrieben. Kindertransport, Paketzustellung, schlaue Zitate von cargobike.jetzt und eine kleine Räderkunde – alles dabei. Besonders die freien Lastenräder haben es der Autorin angetan. Mit dem Erfolg des Kölner freien Lastenrad-Systems Kasimir endet der Beitrag:
In der Domstadt steigt die Zahl der registrierten Lastenbikeleiher stetig. Ende 2015 waren es 761 Nutzer – mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor.
Man darf gespannt sein, wann auch die Testabteilungen von ÖKO-TEST und der Stiftung Warentest auf den Geschmack kommen und Cargobikes einem Labortest unterziehen. In der April-Ausgabe des ÖKO-TEST-Magazins wurden übrigens Ergebnisse eines Faltrad-Tests veröffentlicht. Titel: „Klappt nicht“.
Da kommt es gerade recht, dass die Pedelec Testinstitution ExtraEnergy e.V. – unterstützt von cargobike.jetzt und dem e-Rad Hafen – im April zum Sondertest Lasten Pedelecs ins thüringische Tanna eingeladen hatte. Die offiziellen Testergebnisse werden im August zur EUROBIKE veröffentlicht. Bei einem Pressetag konnten sich Journalisten aber bereits selber ein Bild machen. Marco Völklein von der Süddeutsche Zeitung (SZ) nahm sich viel Zeit zum Fahren der Testräder. Sein Bericht in der SZ erschien am 7. Mai in der Rubrik „MOBILES LEBEN“:
Fast zwei Wochen lang trieben die Tester ein gutes Dutzend E-Lastenräder über Steigungs- und Gefällestrecken sowie holprige Waldwege; ein zweiter Parcours simulierte den Stop- and-go-Verkehr. Die Tester messen dabei die Unterstützungswerte der Motoren, ermitteln die Reichweite der Batterien und prüfen, ob Motor und Antriebsstrang ausgelegt sind für schwere Lasten. „Wir wollen die Hersteller zu besseren Produkten treiben“, sagt der Vereinsvorsitzende Hannes Neupert.
Eingangs wird in dem Beitrag auch Lars Wichmann vom Cargobike-Fachgeschäft Velogold aus Hannover zitiert:
Die meisten seiner Kunden […] befänden sich in der „Familiengründungsphase“. […] Vor ein, zwei Jahren hätten sich noch zwei Drittel der Kunden für ein Transportrad ohne Akkuhilfe entschieden […]. „Mittlerweile hat sich das Verhältnis umgekehrt.“
Apropos E-Antrieb: Die Großen der deutschen Fahrradindustrie haben am 15.-17. April erstmals zum E-BIKE Festival in die Dortmunder Innenstadt eingeladen. Um dem Ganzen jenseits der üblichen Stände etwas Pepp zu geben fand auch ein Cargobike-Rennen statt – maßgeblich organisiert von der Velokitchen, dem Treffpunkt der subkulturellen Dortmunder Fahrradszene. Das Rennen war spannend gab schöne Bilder für die Journalisten. „E-Bike-Festival in Dortmund will neue Zielgruppen ansprechen“ überschrieb die WAZ Ihren Beitrag und liefert dazu ein Foto vom Cargobike-Rennen. Der lokalkompass schrieb:
Zum echten Publikumsrenner indes entwickelte sich das 1. CargoBike Race Dortmund. Wegen der zum Teil eigenwilligen Konstruktionen und der tollen Typen gleichermaßen. (…) Und am Ende waren sich alle einige: Die kultigen Lastenräder, in Kopenhagen und Berlin längst zahlreich vertreten im Straßenbild, dürfte sich auch in Dortmund etablieren.
Wer also eine eher farblose Fahrradveranstaltung aufpeppen oder die lokale Bekanntheit von Cargobikes steigern will: einfach mal ein Cargobike-Rennen organisieren!
Besonders beeindruckt hat mich der Bericht einer Dortmunder Renn-Teilnehmerin, die in den ersten beiden Runden gemeinsam mit mir in der Klasse der unmotorisierten Einspurer gestartet ist. Auf ihrem Blog fahrrad3gruen erzählt Angelika Steger, wie sie als Nutzerin des Dortmunder freien Lastenrads „Dein Rudolf“ zur Rennteilnehmerin wurde:
Wow, ich nahm an einem Rennen teil… und endlich mal mit etwas, was ich freiwillig machte und nichts, wozu man gezwungen wird (die sinnlosen, beschämenden Bundesjugendspiele und den dummen, weil schlecht und einseitig gestalteten Schulsport). Dennoch, zu meiner Verwunderung war ich aufgeregt wie vor einem Auftritt auf einer Konzertbühne. Und, schnauf, alle anderen Teilnehmer waren Männer. Mal sehen… Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Nichts da, jetzt wird mitgemacht.
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Schon seit einiger Zeit berichten auch Fachblätter der Logistikbranche wie DVZ, KEP Aktuell und die Verkehrsrundschau immer wieder über Cargobikes. Beim ExtraEnergy Sondertest Lasten Pedelecs war die Zeitschrift Logistra mit Johannes Reichel vertreten. Der Nutzfahrzeug-Fachmann und Testredakteur zeigte sich in seinem online-Beitrag speziell vom neuen Hercules CARGO angetan:
Tatsächlich konnte das mit einer 250 Liter Staubox versehene Lastenpedelec bei ersten kleineren Testrunden überzeugen mit professioneller, für gewerbliche Einsätze geeigneter Machart, gutmütigem und verlässlichem Handling und bestens dosierter Tretunterstützung per Bosch-Tretlager-Motor. Besonders raffiniert: Der Vorbau lässt sich per Schnellspannerarretierung komplett abnehmen und somit als Wechselsystem und Transportwagen verwenden. Auch ein sogenanntes S-Pedelec mit bis zu 45 km/h zulässiger Geschwindigkeit war unter den Test-Rädern. Das Rapid des schwäbischen Herstellers Radkutsche bot satte Beschleunigung auch bei voller Ausladung und in schwieriger Topographie, ist mit seiner eher langen und schmalen Ladeplattform auch für sehr enge Gassen geeignet.
Als weiteres Logistik-Blatt sprang jetzt auch der LT-manager („Das Premium-Magazin für Logistik & Transport“) auf den Cargobike-Zug auf. Die Ausgabe 3/2016 prophezeit im Inhaltsverzeichnis einen „Siegeszug der E-Cargo-Bikes in der City-Logistik“. Autor Wolfgang Planholt stellt Einsatzbeispiele von Cargobikes (messenger in Berlin), Förderprojekte (Ich ersetze ein Auto, Lasten auf die Räder!) und entsprechende Ankündigungen der Bundesregierung (im Aktionsprogramm Klimaschutz und Aktionsplan Güterverkehr und Logistik) vor. Cargobike.jetzt wird zitiert zu den drei Treibern der urbanen Logistik mit Cargobikes:
Der Diskurs über „lebenswerte Städte“ und die damit verbundenen Fragen von Luftqualität und Nutzung des öffentlichen Raums. Der globale Klimaschutz, sowie Effizienz, Schnelligkeit und Kosten der Zustellung auf der „letzten Meile“.
Ausführlicher wird das Projekt von UPS und Hamburger Senat vorgestellt. Statt mit vielen kleinen Transportern werden die UPS-Sendungen in „vier umgerüstete[n] 20-Fuß-Wechselkoffer[n] mit Regalsystemen“ in die Innenstadt gebracht und auf Stellplätzen abgestellt. Diese werden gegen ein Entgeld vom Senat als Sondernutzungsfläche bereitgestellt. Die Feinverteilung und das Einsammeln neuer Sendungen erfolgt schließlich mit Cargobikes und zu Fuß + Sackkarre. Fazit des Autors:
Wir reden hier von intermodaler Logistik, die hoffentlich in naher Zukunft weitere Nachahmer finden kann.
„Green and inclusive Transport“ war das diesjährige Motto des International Transport Forum im Kongresszentrum der Messe Leipzig. Dort kamen vom 18.-20. Mai die Verkehrsminister*innen der 34 OECD-Staaten (= Club der Industrienationen) und über 1000 internationale Konferenzgäste zusammen.
Doch nur wenige nahmen das Konferenzmotto „Green and inclusive Transport“ so ernst wie die englische Sonderausgabe der Zeitschrift „Internationales Transportwesen“. Mit einem Fahrrad auf der Titelseite unterstrich sie das Konferenzmotto und berichtet auf vier Seiten auch über „Cargo bikes – Sustainable logistics in Germany and beyond“. Kirstin Eichwand und Michel Arndt von der Netzwerk-Initiative „German Partnership for Sustainable Mobility“ der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) stellen in dem Beitrag ebenfalls das Beispiel von UPS in Hamburg vor – aber auch das Kiezkaufhaus in Wiesbaden und die Berliner Velogista GmbH. Zum Abschluss weist das Autorendua dankenswerterweise deutlich darauf hin, worauf es bei der Förderung von Cargobikes in der urbanen Logistik ankäme: „strong and effective policies and regulations“!
Leider wollen die allermeisten Vertreter*innen von Politik und Wirtschaft aber von effektiven politischen und regulatorischen Maßnahmen wie Zufahrtsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge oder einer Kaufprämie auch für eCargobikes nichts wissen.
Ist doch unrealistisch! Lasst mal lieber eine Broschüre mit best practice Beispielen von Cargobike-Einsätzen erstellen und ein Forschungsprojekt in Auftrag geben. Aber doch bitte nicht die einzelnen Verkehrsträger gegeneinander ausspielen und den Wirtschaftsverkehr mit zusätzlichen Restriktionen belegen!
So ähnlich hört man es immer wieder. Und deswegen lässt der große Durchbruch der Cargobikes in der urbanen Logistik noch auf sich warten.
Ein ganz anderes Thema: Kinderseiten. Die ADFC-Mitgliederzeitschrift Radwelt zum Beispiel hat die Rubrik Ritzelbande. In der Ausgabe 1/2016 werden dort kindgerecht „Transporte mit dem Rad“ erklärte. Unter anderem sitzt dafür ein Elefantenbaby auf einem Bullitt-Cargobike. Alternativ – so wird vorgerechnet – könnten auch 1.000 Tafeln Schokolade mit dem Rad transportiert werden. Wenn das mal nicht Lust auf Cargobikes macht!
Auf den Kinderseiten des Deutsche Bahn-Kundenmagazins mobil gab es in der Mai-Ausgabe ein Wimmelbild voller großer und kleiner Fahrradfahrer*innen. Darunter: eine entspannte Cargobike-Fahrerin im Rock mit zwei freudestrahlenden Kindern vorne im Rad. In diesem Wimmelbild ist die Cargobike-Fahrerin noch allein. Doch: „Was tut der stilbewusste Lastenrad-Angeber, wenn sein Nischenprodukt zum Massenphänomen wird?“ fragt die Süddeutsche Zeitung in einem weiteren Cargobike-Artikel am 20. Mai. Redakteur Sebastian Herrmann berichtet selbstironisch wie sein eigenes Cargobike und die Reaktionen darauf ihm anfangs in München das erhebende Gefühl gaben, einer „urbanen Mobilitätselite“ anzugehören.
Dann die Kränkung: Auf den Radwegen rollten andere Lastenräder, dreirädrige Varianten von Christiania Bikes; die sportlicheren Bullitt-Modelle, mit Scheibenbremsen, Kettenschaltung und Rennrad-Typen auf dem Sattel.
Selbst der Umzug in die Vorstadt brachte nur eine temporäre Erlösung. Auch dort standen bald weitere Cargobikes vor der Kita. Inzwischen hat der Autor die permanenten Kränkungen überwunden und freut sich:
Das Lastenfahrrad hat den Alltag erobert, überall. Wie großartig.
Nur leider läuft die Verbreitung von Cargobikes insgesamt nicht ganz so schnell wie im sozialen Umfeld eines Journalisten im wohlhabenden München. Womit wir abschließend beim Thema Kaufprämie wären. cargobike.jetzt kam dazu am 20. Mai in einem Hörfunk-Beitrag des MDR zu Wort:
Eine Kaupfrämie nur für E-Autos schreibt auf Jahrzehnte die Dominanz des Autos in den Städten fest. (…) Das ist nicht nachhaltig, das ist nicht ökologisch. Und deswegen finde ich eine Kaufprämie, wenn es sie für E-Autos gibt, sollte es sie auf jeden Fall auch für E-Lastenräder und für Pedelecs allgemein geben.
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