Beste Cargobike-Kritiken 2019 | Teil 2: „Schauerliche Zukunftsvision“

DPD-Paketzusteller mit Cargobike
Foto: © DPD

Der FAZ-Fahrradexperte Hans-Heinrich Pardey mag den Begriff Cargobike nicht, ärgert sich über den Cargobike-Hype auf der Eurobike und warnt vor einer Invasion der Fußgängerzonen.

Das Cargobike ist ein Symbol der Verkehrswende. Dafür wird es auf cargobike.jetzt gefeiert. Doch das Cargobike wäre ein schlechtes Symbol wenn es keine Kritik provozieren würde – von bissigen Polemiken bis zu plumper politisch-ideologischer Ablehnung. In einer vierteiligen Serie präsentiere und kommentiere ich bemerkenswerte Cargobike-Kritiken aus dem Jahr 2019.

Teil 2: Schauerliche Zukunftsvision

Am erschien der FAZ-Kommentar „Fahrrad verkehrt“ von Hans-Heinrich Pardey. Er war offensichtlich vom Cargobike-Hype auf der Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen genervt:

Das Lastenrad, pardon, das Cargo Bike schlug alles aus dem Feld. Aber ein gnädiges Geschick möge uns davor bewahren, dass das alles auf unsere Straßen, geschweige unsere Radwege rollt, was da auf dem Friedrichshafener Messegelände zu sehen war. Kastenaufbauten mit sechs Zentner Tragkraft und einem Wendekreis wie die Umlaufbahn eines der äußeren Planeten. Schauerliche Zukunftsvision, dass diese Schwergut-Rikschas CO2-neutral in die Fußgängerzonen drängen.

[Zum vollständigen FAZ-Beitrag]

Konservative Zeitgeist-Kritik

Interessanterweise ist Pardey auch „Alterspräsident der Redaktionskonferenz“ beim hippen Fahrradmagazin fahrstil. Auf dessen Teamseite gibt er den Schriftsteller Ernst Jünger als einen seiner „Hausgötter“ an – einen bis heute unter konservativen Intellektuellen geschätzten Protagonisten der präfaschistischen „Konservativen Revolution“ im Deutschland der 20er Jahre.

Pardeys Cargobike-Kritik bietet ein schönes Beispiel konservativ-rückwärtsgewandter Zeitgeist-Kritik im Stile Ernst Jüngers. Knapp gesagt: Früher war alles besser! Und: Schicksalfhafte Kräfte drohen Verderben in Form von neumodischen englischen Begriffen und Stahlrossen in Fußgängerzonen über uns zu bringen.

Ein gnädiges Geschick möge uns vor einem Fahrstil-Beitrag „In Stahlgewittern – Abwehrschlacht gegen Lastenräder“ bewahren!

RADSAM: Friedliche Koexistenz in Fußgängerzonen

Die Verkehrswende darf vor dem Lieferverkehr nicht halt machen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Vans und LKWs dichte Innenstädte und Fußgängerzonen befahren und dabei Umwelt und Infrastruktur belasten sowie zu Fuß Gehende und Radfahrende gefährden muss ein Ende haben.

Große Schwerlasträder – für die es übrigens eine bundesweite Kaufprämie gibt – bieten in Kombination mit intelligenten Umschlagkonzepten bereits effektive Alternativen für Logistik-Unternehmen. Ende Oktober 2019 fand in Berlin die 1. Nationale Radlogistik-Konferenz statt.

Eine wichtige Fördermaßnahme für die Radlogistik wäre, die Zufahrt für Kraftfahrzeuge in Fußgängerzonen einzuschränken und für Fahrräder auszuweiten. Das käme auch Fußgänger*innen zu Gute. Denn das größte Cargobike ist immer noch deutlich kleiner als der kleinste Diesel-Van. Das Projekt RADSAM der FH Erfurt hat übrigens gezeigt, dass eine gut organisierte Freigabe des Radverkehrs in geeigneten Fußgängerzonen(bereichen) Konflikte zwischen Radfahrenden und Fußverkehr sogar vermindern kann. Heißer Lesetipp – nicht nur für die FAZ-Redaktion!


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